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Informationen für Ärzte und Arbeitgeber zu Beschäftigungsverboten in der Schwangerschaft

I. Der aktuelle Anlass

Seit einiger Zeit wenden sich zum Thema Beschäftigungsverbote in der Schwangerschaft des Öfteren Ärzte an das Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt und schildern folgendes:

Berufstätige Schwangere suchten die Arztpraxis auf und erkundigten sich in der Sprechstunde nach einem Beschäftigungsverbot. Hierzu äußerten die Patientinnen, dass im Rahmen ihrer Erwerbstätigkeit Arbeitsbedingungen gegeben seien, die sie und ihr ungeborenes Kind gesundheitlich gefährden würden. Gelegentlich äußerten sie auch, dass das Verhältnis zu ihrem Arbeitgeber oder zu anderen Beschäftigten des Unternehmens sehr angespannt sei und sie auf der Arbeit erheblichen psychischen Belastungen ausgesetzt seien. Einige Patientinnen seien von der Krankenkasse oder vom Arbeitgeber direkt aufgefordert worden, sich vom Arzt ein Beschäftigungsverbot „geben“ zu lassen.

Hauptsächlich sind die Patientinnen um ihr ungeborenes Kind besorgt und meinen, nur ein Arzt könnte ihnen in dieser Situation helfen. Dem ist aber nicht so. Der Arzt ist zwar angesichts des Vertrauensverhältnisses zwischen Patientin und Arzt zumindest aus Sicht der Schwangeren ein wichtiger Ansprechpartner für all ihre Sorgen während der Schwangerschaft, so auch für ihre Probleme am Arbeitsplatz. Aber das Durchsetzen der Arbeitsschutzvorschriften für Schwangere obliegt von Gesetzes wegen dem Arbeitgeber und der zuständigen Aufsichtsbehörde. Dem Arzt ist es jedoch nicht versagt, der Schwangeren auch dann behilflich zu sein, wenn die Aufgabe kraft Gesetzes dem Arbeitgeber und der Aufsichtsbehörde zugewiesen ist (näheres dazu im Abschnitt IV Nr. 2.).

II. Arbeitsschutzvorschriften im Mutterschutzrecht

Der Schutz werdender und stillender Mütter vor den Gefahren im Arbeitsleben ist umfassend durch gesetzliche Vorschriften geregelt. Die wichtigsten bei der Beschäftigung werdender und stillender Mütter zu beachtenden Rechtsvorschriften sind das Mutterschutzgesetz (MuSchG) [1] und die Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz (MuSchArbV) [2]. Neben dem absoluten Kündigungsverbot und dem Schutz vor finanziellen Nachteilen enthalten diese Vorschriften eine Vielzahl von Regelungen zum Schutz werdender und stillender Mütter vor Gesundheitsgefahren und Überforderung am Arbeitsplatz.

Hierzu zählen insbesondere die Gestaltung des Arbeitsplatzes (§ 2 MuSchG), die Beurteilung der Arbeitsbedingungen (§§ 1 und 3 MuSchArbV), die generellen Beschäftigungsverbote vor und nach der Entbindung (§§ 4, 6 Abs. 3 und 8 MuSchG, §§ 4 und 5 MuSchArbV) und die Schutzfristen vor und nach der Entbindung (§§ 3 Abs. 2 und 6 Abs. 1 MuSchG). Zusätzlich besteht die Möglichkeit, dass der Arzt im Hinblick auf den individuellen Gesundheitszustand der werdenden Mutter ein individuelles (ärztliches) Beschäftigungsverbot (§ 3 Abs. 1 MuSchG) attestiert. Ausgehend vom aktuellen Anlass beziehen sich die folgenden Erläuterungen vorrangig auf die für werdende Mütter geltenden Schutzvorschriften.

1. Geltungsbereich des Mutterschutzgesetzes

Das Mutterschutzgesetz gilt für Frauen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, für weibliche in Heimarbeit Beschäftigte und ihnen Gleichgestellte, d. h für Arbeitnehmerinnen. So gilt es beispielsweise für weibliche Angestellte, Arbeiterinnen und weibliche Auszubildende. Es gilt für Arbeitnehmerinnen in Betrieben und Verwaltungen aller Art, in der Landwirtschaft, in Instituten, privaten Büros und Praxen usw., wenn der Arbeitsort im Bundesgebiet liegt.

Das Mutterschutzgesetz gilt z. B. nicht für Hausfrauen, Selbständige, Schülerinnen in der Schule, Studentinnen an der Hochschule, Beamtinnen und Soldatinnen. Für Beamtinnen und Soldatinnen ist der Mutterschutz in entsprechenden Verordnungen geregelt.

2. Gestaltung des Arbeitsplatzes und Beurteilung der Arbeitsbedingungen

Der Arbeitgeber hat eine werdende Mutter so zu beschäftigen und ihren Arbeitsplatz einschließlich der Maschinen, Werkzeuge und Geräte so einzurichten, dass sie vor Gefahren für Leben und Gesundheit ausreichend geschützt ist (§ 2 MuSchG). Bei bestimmten Tätigkeiten ist der werdenden Mutter eine Sitzgelegenheit zum Ausruhen bereitzustellen oder Gelegenheit zur kurzen Unterbrechung der Arbeit zu geben, ggf. auch um sich unter geeigneten Bedingungen hinzulegen. Spätestens nach Bekanntgabe der Schwangerschaft muss der Arbeitgeber den Arbeitsplatz der werdenden Mutter hinsichtlich Art, Ausmaß und Dauer bestehender Gefährdungen überprüfen und beurteilen. Die Überprüfung umfasst beispielsweise die Arbeitstätigkeit, die Arbeitsorganisation sowie die Arbeitszeit und sollte insbesondere unter Berücksichtigung der mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote und Beschäftigungsbeschränkungen (§§ 4 und 8 MuSchG, §§ 3, 4 und 5 MuSchArbV) erfolgen. Hierbei soll sich der Arbeitgeber vom Betriebsarzt und von der Fachkraft für Arbeitssicherheit fachkundig beraten lassen.

Bei den mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverboten wird grundsätzlich nach generellen und individuellen (ärztlichen) Beschäftigungsverboten unterschieden.

3. Generelle Beschäftigungsverbote

Generelle Beschäftigungsverbote gelten für alle schwangeren Arbeitnehmerinnen, unabhängig von ihrer individuellen körperlichen Konstitution. Sie gelten per Gesetz sofort und sind sowohl für den Arbeitgeber als auch für werdende Mütter zwingend. Eine Beschäftigung mit verbotenen Arbeiten darf auch dann nicht erfolgen, wenn sich die Schwangere ausdrücklich dazu bereit erklärt.

Der Arbeitgeber hat in eigener Verantwortung zu entscheiden, ob ein generelles Beschäftigungsverbot zur Anwendung kommt. Die Wahrnehmung dieser Verantwortung unterliegt auch dem Strafrecht. Zu den generellen Beschäftigungsverboten zählen insbesondere:

a) Das Verbot der Beschäftigung mit schweren körperlichen Arbeiten und mit Arbeiten unter gesundheitsschädlichen Einwirkungen

Werdende Mütter dürfen nicht mit schweren körperlichen Arbeiten und nicht mit Arbeiten beschäftigt werden, bei denen sie schädlichen Einwirkungen von gesundheitsgefährdenden Stoffen oder Strahlen, von Staub, Gasen oder Dämpfen, von Hitze, Kälte oder Nässe, von Erschütterungen oder Lärm ausgesetzt sind (§ 4 Abs. 1 MuSchG).

Für werdende Mütter sind insbesondere folgende Tätigkeiten untersagt (§ 4 Abs. 2 MuSchG):

  • regelmäßiges Heben von Lasten von mehr als 5 kg Gewicht oder gelegentliches Heben von Lasten von mehr als 10 kg Gewicht ohne mechanische Hilfsmittel von Hand,
  • Arbeiten, bei denen sie sich häufig erheblich strecken oder beugen oder bei denen sie sich dauernd hocken oder sich gebückt halten müssen,
  • Bedienung von Geräten und Maschinen aller Art mit hoher  Fußbeanspruchung,
  • Arbeiten, bei denen sie infolge ihrer Schwangerschaft in besonderem Maße der Gefahr, an einer Berufskrankheit zu erkranken, ausgesetzt sind,
  • Arbeiten, mit erhöhten Unfallgefahren (z. B. Absturz- oder Rutschgefahr)
  • nach Ablauf des fünften Schwangerschaftsmonats Arbeiten, bei denen Schwangere ständig stehen müssen, soweit diese Beschäftigung vier Stunden täglich überschreitet,
  • nach Ablauf des dritten Monats der Schwangerschaft Arbeiten auf Beförderungsmitteln (z. B. Lkw-Fahrerinnen, Busfahrerinnen, Straßenbahnfahrerinnen) und
  • Fließbandarbeit mit vorgeschriebenem Arbeitstempo sowie Akkordarbeit. 

Beschäftigungsverbote hinsichtlich der schädlichen Einwirkung von gesundheitsgefährdenden Stoffen (chemische Gefahrstoffe, biologische Arbeitstoffe) sind in den §§ 4 und 5 MuSchArbV näher konkretisiert. Der Schutz vor schädlichen Einwirkungen von Strahlen beim Einsatz werdender Mütter in Kontrollbereichen ist gesondert durch entsprechende Vorschriften in der Röntgenverordnung und in der Strahlenschutzverordnung geregelt.

b) Verbot der Mehrarbeit, Nacht- und Sonntagsarbeit

Volljährige werdende Mütter dürfen bis zu 8½ Stunden täglich oder 90 Stunden in der Doppelwoche und Schwangere unter 18 Jahre bis zu 8 Stunden täglich oder 80 Stunden in der Doppelwoche beschäftigt werden (§ 8 Abs. 1 und 2 MuSchG). In der Nacht zwischen 20:00 Uhr und 06:00 Uhr (§ 8 Abs. 1 MuSchG) dürfen werdende Mütter nicht beschäftigt werden. Für einige Branchen gibt es im Mutterschutzgesetz Ausnahmen von diesen Verboten (z. B. für das Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe oder die Krankenpflege- und Badeanstalten). Die Fahrzeit zwischen Wohnung und Arbeitsort und die gesetzlichen Ruhepausen sind keine Arbeitszeit.

III. Pflichten und Verantwortung des Arbeitgebers

Bei der Beschäftigung werdender Mütter hat der Arbeitgeber besondere Pflichten zu erfüllen. Deshalb sollen werdende Mütter dem Arbeitgeber ihre Schwangerschaft und den voraussichtlichen Tag der Entbindung mitteilen, sobald ihnen diese Tatsachen bekannt sind. Für den Arbeitgeber besteht dann die Pflicht, die zuständige Aufsichtsbehörde - in Sachsen-Anhalt das Landesamt für Verbraucherschutz, Fachbereich 5 Arbeitsschutz (LAV) - unverzüglich über die Mitteilung einer bestehenden Schwangerschaft zu benachrichtigen (§ 5 MuSchG).

Hat die Beurteilung der Arbeitsbedingungen ergeben, dass die werdende Mutter mit verbotenen Arbeiten beschäftigt ist bzw. die Sicherheit oder Gesundheit von Mutter oder Kind durch die Tätigkeit gefährdet wird, muss der Arbeitgeber geeignete Schutzmaßnahmen veranlassen. Der Arbeitgeber ist verantwortlich dafür, dass diese zum Schutz der werdenden Mütter erforderlichen Maßnahmen unverzüglich durchgesetzt werden. Zunächst ist zu prüfen, ob der Schutz der werdenden Mutter beispielsweise durch die einstweilige Umgestaltung der Arbeitsbedingungen oder der Arbeitszeit realisiert werden kann. Sind diese Maßnahmen nicht durchführbar, ist der Arbeitgeber berechtigt die werdende Mutter auf einen anderen, geeigneten Arbeitsplatz umzusetzen. Ist auch eine Umsetzung der werdenden Mutter auf anderen Arbeitsplatz nicht möglich, gilt ein generelles Beschäftigungsverbot, d. h. der Arbeitgeber muss die werdende Mutter unter Fortzahlung des Durchschnittsverdienstes (Mutterschutzlohn) von der Arbeit freistellen. Für die Freistellung der Schwangeren durch den Arbeitgeber bei Vorliegen eines generellen Beschäftigungsverbotes ist weder eine Bestätigung durch die Aufsichtsbehörde noch ein ärztliches Zeugnis notwendig.

IV. Individuelles (ärztliches) Beschäftigungsverbot und Aufgaben des Arztes

1. Allgemeines

Wenn mögliche Gesundheitsgefährdungen nicht auf die Gefährlichkeit einer bestimmten Tätigkeit oder der Arbeitsbedingungen zurückzuführen sind, sondern auf die individuellen gesundheitlichen Verhältnisse der werdenden Mutter, kann ein generelles Beschäftigungsverbot nicht greifen. In diesen Fällen besteht jedoch für den behandelnden Arzt die Möglichkeit, ein individuelles Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG zu erteilen. Danach dürfen werdende Mütter nicht beschäftigt werden, soweit nach ärztlichem Zeugnis Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet sind. Die Gefährdung muss von der Fortdauer der Beschäftigung ausgehen. Maßgebend sind dabei der individuelle Gesundheitszustand und die konkrete Arbeitstätigkeit der schwangeren Arbeitnehmerin. Die Arbeitstätigkeit der Schwangeren oder die Arbeitsbedingungen als solche müssen dabei nicht gesundheitsgefährdend sein [3]. Ein individuelles Beschäftigungsverbot kann beispielsweise gegeben sein bei der Gefahr einer Früh- oder Fehlgeburt, bei Mehrlingsschwangerschaften oder bei extremen psychischen Belastungen am Arbeitsplatz. Zu beachten ist hierbei, dass das individuelle Beschäftigungsverbot von der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit abzugrenzen ist. In der Praxis gestaltet sich diese Abgrenzung oftmals schwierig, insbesondere in Fällen der Risikoschwangerschaft. Die Schlussfolgerung, bereits das Bestehen einer Risikoschwangerschaft führe stets zu einem individuellen Beschäftigungsverbot, ist nicht zulässig. Vielmehr ist zu unterscheiden, worauf das Risiko beruht. Risikoschwangerschaften sind gemäß Buchstabe B Nr. 1 der Mutterschafts-Richtlinien (Mu-RL) [4] Schwangerschaften, bei denen aufgrund der Vorgeschichte oder erhobener Befunde mit einem erhöhten Risiko für Leben und Gesundheit von Mutter oder Kind zu rechnen ist. Dieser Begriff dient der Festlegung der erforderlichen ärztlichen Leistungen für diese Fälle, nicht zuletzt im Hinblick auf deren Finanzierung durch die Krankenkassen. Das bloße Vorliegen einer Risikoschwangerschaft besagt für sich allein nichts darüber, ob und inwieweit ein individuelles Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG oder krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit indiziert sind. Wie bereits dargelegt, sind die Ursachen der Risikoschwangerschaft maßgebend. Beruht das Risiko darauf, dass die werdende Mutter erkrankt ist, so legt dies die Annahme krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nahe. Beruht es auf medizinischen Befunden, ohne dass es sich hierbei um Erkrankungen handelt, spricht dies für ein individuelles Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG [5]. Der Arzt muss somit bei bestehenden Beschwerden stets prüfen und aus ärztlicher Sicht entscheiden, ob die werdende Mutter wegen der Beschwerden arbeitsunfähig erkrankt ist oder – ohne dass eine Krankheit vorliegt – zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Mutter oder Kind ein individuelles Beschäftigungsverbot notwendig ist. Diese Entscheidung obliegt ausschließlich dem behandelnden Arzt. Ihm steht dementsprechend ein Beurteilungsspielraum zu. Dabei kommt es allein auf die medizinischen Umstände und die daraus zulässigen Folgerungen an. Die abweichend von der herrschenden Meinung vertretene Ansicht, aus Gründen der finanziellen Besserstellung der Schwangeren sei ein individuelles Beschäftigungsverbot der Feststellung krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit vorzuziehen, kann nicht geteilt werden. Eine solche Ansicht findet im geltenden Recht keine Stütze. [6] Rechtliche Informationen zur „Abgrenzung von Arbeitsunfähigkeit zum Beschäftigungsverbot bei Schwangerschaft – Strafbarkeit einer falschen Bescheinigung“ sind in der PRO Nr. 9/2009 veröffentlicht.

2. Aufgaben des Arztes

Soweit schwangere Arbeitnehmerinnen in der Sprechstunde Probleme und Gefährdungen am Arbeitsplatz ansprechen und sich nach einem Beschäftigungsverbot erkundigen, sollte sich der Arzt die konkrete Tätigkeit der Schwangeren und die Probleme genau erläutern lassen und anschließend beurteilen, ob hier sein medizinisches Fachwissen gefragt ist oder ob das Problem mit einem generellen Beschäftigungsverbot gelöst werden kann. Handelt es sich eindeutig um eines generelles Beschäftigungsverbot, darf er die werdende Mutter darauf und auf die Zuständigkeit der Aufsichtsbehörde verweisen. Im Rahmen des Mutterschutzes ist es nicht Aufgabe des Arztes zu prüfen und zu beurteilen, ob der Arbeitsplatz der Schwangeren den Anforderungen der Schutznormen des MuSchG und der MuSchArbV entspricht. Insofern ist der Arzt auch grundsätzlich nicht berechtigt, ein generelles Beschäftigungsverbot nach §§ 4 oder 8 MuSchG auszusprechen. Stützt sich der Arzt in seinem Attest dennoch auf ein generelles Beschäftigungsverbot nach §§ 4 oder 8 MuSchG muss er damit rechnen, dass der Arbeitgeber dieses Attest nicht anerkennt, dies in der Folge zu Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgeber, Arzt und Krankenkasse führen kann und die werdende Mutter ggf. keine Lohnzahlung erhält. In der Regel hat der Arzt keine Kenntnisse über die konkreten Arbeitstätigkeiten und die tatsächlichen Arbeitsbedingungen der Schwangeren und ist auf die Ausführungen der Schwangeren angewiesen. Grundsätzlich darf sich der Arzt auf die wahrheitsgemäße Information durch die werdende Mutter verlassen. Manchmal genügen die Erläuterungen der Schwangeren jedoch nicht, um eine entsprechende Entscheidung treffen zu können, vor allem, wenn Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Angaben der Schwangeren über ihre tatsächliche Beschäftigung bestehen. In derartigen Fällen kann sich der Arzt - auch im Interesse der Schwangeren - mit zumutbarem Aufwand, z. B. mit einer telefonischen Rückfrage beim Arbeitgeber oder beim Betriebsarzt, Klarheit über die tatsächlichen Verhältnisse am Arbeitsplatz der Schwangeren verschaffen. Hat der Arzt trotz seiner Bemühungen damit keinen Erfolg, weil er z. B. keine Auskunft vom Arbeitgeber erhält, so bleibt dem Arzt keine andere Möglichkeit, als sich auf der Grundlage der vorhandenen Informationen für oder gegen ein individuelles Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG zu entscheiden [7]. Zur Rechtmäßigkeit eines solchen Beschäftigungsverbotes hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) folgendes entschieden: "Nimmt weder der Arbeitgeber noch die zuständige Behörde die gebotene fachkundige Überprüfung des Arbeitsplatzes der werdenden Mutter vor und bestehen aus ärztlicher Sicht ernstzunehmende Anhaltspunkte dafür, dass vom Arbeitsplatz Gefahren für Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind ausgehen können, so darf der Arzt bis zu einer Klärung ausnahmsweise ein vorläufiges Beschäftigungsverbot aussprechen." [8]

Ein derartiges Beschäftigungsverbot dürfte jedoch die Ausnahme bleiben. In Sachsen-Anhalt wertet die Behörde die Schwangerschaftsmitteilung des Arbeitgebers aus und überprüft den Arbeitsplatz der werdenden Mutter hinsichtlich möglicher Gefährdungen, ggf. auch vor Ort.

3. Inhalt und Rechtswirkung der ärztlichen Bescheinigung

Im Gegensatz zu den generellen Beschäftigungsverboten wird das individuelle Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG erst mit Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung beim Arbeitgeber wirksam. In der Regel wird das individuelle Beschäftigungsverbot schriftlich erklärt. Gesetzliche Vorschriften über die Form gibt es nicht. Die entsprechende ärztliche Bescheinigung kann jeder approbierte Arzt ausstellen. Sie sollte die Rechtsgrundlage (§ 3 Abs. 1 Mutterschutzgesetz) enthalten und die voraussichtliche Geltungsdauer. Das individuelle Beschäftigungsverbot sollte möglichst genau und allgemeinverständlich formuliert werden, so dass für den Arbeitgeber die Art, Dauer und der Umfang der Gefährdung für Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung erkennbar ist. Es sollte sich auch dazu geäußert werden, ob leichtere Tätigkeiten oder verkürzte Arbeitszeiten zulässig bleiben. In der ärztlichen Bescheinigung sind die für das Beschäftigungsverbot maßgeblichen Gründe kurz darzulegen, d. h. dem Arbeitgeber ist auch mitzuteilen, von welchen tatsächlichen Arbeitsbedingungen der werdenden Mutter der Arzt bei der Erteilung des individuellen Beschäftigungsverbotes ausgegangen ist. Persönliche Daten oder Angaben zum Gesundheitszustand der werdenden Mutter sind nicht Bestandteil dieser ärztlichen Bescheinigung.

Sowohl für den Arbeitgeber als auch für die werdende Mutter ist ein individuelles Beschäftigungsverbot bindend. Dem individuellen Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG kommt nach ständiger Rechtsprechung des BAG ein hoher Beweiswert zu. Hat der Arbeitgeber allerdings begründete Zweifel an der Richtigkeit des ärztlichen Zeugnisses, so kann er eine Nachuntersuchung verlangen. Dabei hat die schwangere Arbeitnehmerin das Recht auf freie Arztwahl.

V. Aufgaben der zuständigen Aufsichtsbehörde

Zuständige Aufsichtsbehörde für die Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften ist in Sachsen-Anhalt das Landesamt für Verbraucherschutz, Fachbereich 5 - Arbeitsschutz (LAV). Frauen und Arbeitgeber aber auch Ärzte können sich mit allen Fragen zum Mutterschutzgesetz an das LAV wenden. Das LAV kann im Einzelfall klären, ob die konkreten Tätigkeiten und die vorhandenen Arbeitsbedingungen die Gesundheit der werdenden Mutter tatsächlichen gefährden können und ob möglicherweise ein generelles Beschäftigungsverbot beachtet werden muss. Außerdem kann das LAV in Einzelfällen anordnen, welche Vorkehrungen und Maßnahmen zum Schutz der werdenden Mutter vor Gefährdungen getroffen werden müssen. Zudem kann das LAV die Beschäftigung werdender Mütter mit bestimmten Arbeiten untersagen.

VI. Hinweise zum Arbeitsentgelt bei Beschäftigungsverboten

Muss die Schwangere wegen eines Beschäftigungsverbotes teilweise oder völlig mit der Arbeit aussetzen, besteht gemäß § 11 MuSchG gegenüber dem Arbeitgeber Anspruch auf den Durchschnittsverdienst. Arbeitgeber können im Rahmen des Umlageverfahrens der Krankenkassen „U 2“ von der Krankenkasse die Aufwendungen für das nach § 11 Abs. 1 MuSchG zu zahlende Entgelt erstattet bekommen. Nähere Auskünfte hierzu erteilen die Krankenkassen.

Funktionsbezeichnungen gelten in männlicher und weiblicher Form.

Stand: 01/2013

Autor:
Cornelia Krude
Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt
Fachbereich 5, Dezernat 51 - Technischer und Sozialer Arbeitschutz
Kühnauer Str. 70, 06846 Dessau-Roßlau
Tel.: 0340-6501-251, Fax: 0340-6501-294 
E-Mail: cornelia.krude[at]lav.ms.sachsen-anhalt.de

Ansprechpartner

[1] Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz – MuSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Juni 2002 (BGBl. I S. 2318) in der derzeit geltenden Fassung

[2] Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz (MuSchArbV) als Artikel 1 der Mutterschutz-Richtlinienverordnung vom 15.4.1997 (BGBl. I 782) in der derzeit geltenden Fassung

[3] BAG Urteil vom 7.11.2007, 5 AZR 883/06

[4] Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung (Mutterschafts-Richtlinien – Mu-RL) in der Fassung vom 10.12.1985 (BAnz Nr. 60 a v. 27.3.1986) zuletzt geändert am 18.6.2009 (BAnz 2009, Nr. 125 S. 2923)

[5] Schliemann/König, NZA 1998, 1030 (1035)

[6] Schliemann/König NZA 1998, 1030 (1034)

[7] Schliemann/König, NZA 1998, 1030 (1032)

[8] BAG, Urteil vom 11.11.1998 – 5 AZR 49/98

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