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Wildpilz-Verzehr in Sachsen-Anhalt unbedenklich

Im Handel angebotene Wildpilze meist Importware – bereits bei Einfuhr erfolgt Untersuchung auf radioaktive Belastung

Halle. – Wenn die Gaststätten mit Pfiferlings-Wochen werben und der Handel aromatisch, beige-gelbe Pilze anbietet, beginnt die Saison von frischen Pfiferlingen und anderen essbaren Wildpilzen. Doch so mancher hegt, nach dem Fallout in Tschernobyl, Zweifel an ihrem unbedenklichen Verzehr.

Sind Wildpilze radioaktiv belastet?

Am 26. April 1986 ereignete sich im ukrainischen Atomkraftwerk Tschernobyl ein folgenschwerer Reaktorunfall (Fallout), durch den etwa zehn Tage unkontrolliert verschiedene radioaktive Spaltprodukte freigesetzt wurden. Wegen extremer Hitze durch den Graphitstäbe-Brand gelangten besonders leichtflüchtige Radionuklide Jod-131 und Cäsium-137 in große Höhen. Je nach Windrichtung wurden diese radioaktiven Elemente mit den Wolken über weite Teile Europas verteilt. Entsprechend der regionalen Regenfälle kam es innerhalb der europäischen Länder und in der Türkei zu einer unterschiedlich starken Belastung der Böden. Neben der Ukraine, Russland und Weißrussland war Österreich am stärksten und in Deutschland der Südosten von Bayern am meisten betroffen.

Die wichtigsten langlebigen radioaktiven Isotope sind Cäsium-134 mit einer Halbwertszeit von etwa zwei Jahren und Cäsium-137 mit einer Halbwertszeit von etwa 30 Jahren. Der Waldboden, mit seiner Humusauflage, ist für diese Isotope ein idealer Speicher, da er sie wegen fehlender Tonmaterialien nicht zu binden vermag. In Folge dessen nimmt das weit verbreitetet Pilzgefleht Cäsium immer wieder auf und speichert es im Fruchtkörper – dem Pilz. Dabei ist auch die Aufnahmefähigkeit der einzelnen Pilzarten unterschiedlich.

Beide Cäsium-Isotope können im Magen-Darm-Trakt des menschlichen Körpers vollständig aufgenommen werden. Nach dem Reaktorunfall legte die Europäische Union (EU) aus Gründen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes der Verbraucher Radioaktivitätshöchstgehalte für landwirtschaftliche Erzeugnisse aus den betroffenen Ländern fest. Die Höchstgehalte für die maximale kumulierte Radioaktivität der Radionuklide Cäsium-134 und Cäsium-137 beträgt für Pilze 600 Becquerel1 pro Kilogramm (Bq/kg).

Überwachung der Wildpilze im Handel

Die Einhaltung dieser Höchstmengen wird ständig überwacht. In Sachsen-Anhalt werden Radioaktivitätsuntersuchungen im Auftrag des Landesamtes für Verbraucherschutz durch das Landesamt für Umweltschutz im Rahmen des „Integrierten Mess- und Informationssystems“ (IMIS) zur Überwachung der Umweltradioaktivität durchgeführt.

Aus artenschutzrechtlichen Grün-den ist in Deutschland das Sammeln von Wildpilzen in der Regel nur für den Eigenbedarf erlaubt. Die im Handel angebotenen ess-baren Wildpilze – meist handelt es sich um Pfifferlinge, Maronenröhrlinge oder Steinpilze – sind Importe aus anderen Ländern. Zur Untersuchung werden hauptsächlich Pfifferlinge osteuropäischer Herkunft eingereicht. Das Herkunftsland muss bei frischen Pilzen gekennzeichnet sein. In Abhängigkeit vom Sammelgebiet der Pilze fallen die Werte für die kumulierte Radioaktivität von Cäsium-134 und Cäsium-137 unterschiedlich aus. Sie liegen in der Regel weit unter dem gesetzlich vorgeschriebenen Höchstgehalt. Wegen der kürzeren Halbwertszeit wurde das Cäsium 134-Isotop generell nicht mehr nachgewiesen.

Von 2006 bis August 2019 wurden 209 Proben Pfifferlinge zur Untersuchung bezüglich deren Radioaktivität eingereicht. Zur zusammenfassenden Darstellung der erhobenen Werte für die kumulierte Radioaktivität von Cäsium-134 und Cäsium-137 eignet sich am besten der Median2. Für den genannten Zeitraum beträgt dieser 20 Bq/kg. Der Mittelwert als arithmetisches Mittel liegt mit 63 Bq/kg höher als der Median. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass ganz vereinzelt auch deutlich höhere Radioaktivitäten des Cäsium-137-Isotops gemessen werden. So wurde 2009 ein Wert im Bereich des zugelassenen Höchstgehalts erhoben. Kürzlich überschritt eine Probe Pfifferlinge aus Weißrussland deutlich den zugelassenen Höchstgehalt mit 921 Bq/kg. Pilze mit Höchstgehaltsüberschreitung der kumulierten Cäsiums-134- und Cäsiums-137-Radioaktivität sind nicht verkehrsfähig. Noch vorhandene Bestände an Pfifferlingen der entsprechenden Charge werden vom Markt genommen und eine Meldung in das Schnellwarnsystem der Europäischen Kommission eingestellt.

Fazit

Wer essbare Wildpilze mag, kann diese weiterhin mit Genuss verzehren. Nach Deutschland eingeführte Wildpilze unterliegen bezüglich der kumulierten Cäsi-um-134- und Cäsium-137-Radioaktivität einer Einfuhrkontrolle. Die im Handel an-gebotenen Pfifferlinge stammen meist aus Gebieten ohne radioaktive Belastung.  

1  Becquerel (Bq) ist die SI-Einheit für die Radioaktivität. Das Becquerel gibt die Anzahl der Atome an, die pro Sekunde zerfallen. https://www.chemie.de/lexikon/Becquerel_%28Einheit%29.html

2 Statistisch teilt der Median, der auch Zentralwert genannt wird, die Werte in zwei Hälften, wobei eine Hälfte größer und die andere Hälfte kleiner ist als dieser Zahlenwert. https://de.wikipedia.org/wiki/Median   

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