Neuartige Zutaten in Lebensmitteln
Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt – Presseinformation Nr. 064/2019
Halle, 22. Juli 2019
Was haben Chiasamen, Mehlwürmer, Noni-Fruchtsaft, UV-behandelte Champignons und Isomaltulose gemeinsam? Sie werden als sogenannte "neuartige Lebensmittel" oder "Novel Food" bezeichnet. Die rechtlichen Regelungen zu neuartigen Lebensmitteln finden sich in der seit dem 1. Januar 2018 anwendbaren neuen EU-Novel-Food-Verordnung 2015/2283.
"Neuartig" bedeutet, dass diese Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten vor dem 15. Mai 1997 – dem Tag des Inkrafttretens der alten EG-Novel-Food-Verordnung Nr. 258/97 – in der Europäischen Union nicht in nennenswertem Umfang als Lebensmittel verzehrt wurden. Aufgrund ihrer exotischen Herkunft, ihrer speziellen Zusammensetzung oder ihres innovativen Herstellungsverfahrens kann man nicht davon ausgehen, dass diese Lebensmittel oder -zutaten gesundheitlich unbedenklich sind. Daher müssen sie zugelassen werden. Im Zulassungsverfahren wird ihre Sicherheit bewertet. Erst nach der Zulassung und Aufnahme in die Unionsliste der neuartigen Lebensmittel darf das Lebensmittel oder die -zutat in der EU vermarktet werden. Dies gilt auch für traditionelle Lebensmittel oder -zutaten aus Drittländern außerhalb der Europäischen Union, bei denen allerdings ein vereinfachtes Anmeldeverfahren durchgeführt wird.
Der Unternehmer, der ein Lebensmittel oder eine Lebensmittelzutat in der EU auf den Markt bringen will, muss vorab prüfen, ob das Lebensmittel oder die Lebensmittelzutat neuartig ist. Wenn er unsicher ist, kann er die zuständige Behörde des Mitgliedsstaates, in dem er das Lebensmittel oder die Lebensmittelzutat zuerst vermarkten möchte, konsultieren. In Deutschland ist dies das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit.
Bei der Anmeldung eines traditionellen Lebensmittels oder einer Lebensmittelzutat aus einem Drittland muss der Lebensmittelunternehmer belegen, dass das Lebensmittel oder die Lebensmittelzutat Bestandteil der üblichen Ernährung eines signifikanten Anteils der Bevölkerung mindestens eines Drittlandes über einen Zeitraum von wenigstens 25 Jahren ist.
Auch bei der amtlichen Lebensmittelüberwachung taucht immer wieder die Frage auf, ob ein bestimmtes Lebensmittel oder eine Lebensmittelzutat als neuartig einzustufen ist. Des öfteren kommt dies bei Nahrungsergänzungsmitteln mit pflanzlichen Zutaten oder Kräutertees vor. Im Einzelfall ist zu prüfen, ab wann und in welcher Menge das fragliche Lebensmittel oder die Zutat in Europa verzehrt wird. Eine gewisse Hilfe bieten dabei Listen verschiedener EU-Mitgliedstaaten über in Lebensmitteln erlaubte oder verbotene Pflanzen. Hilfreich ist auch der sogenannte „Novel-Food-Katalog“ der EU-Kommission, eine Sammlung von Informationen aller Mitgliedsstaaten zu Stoffen pflanzlicher, tierischer oder sonstiger Herkunft im Hinblick auf ihre eventuelle Neuartigkeit. Insgesamt ist es jedoch schwierig zu ermitteln, ob ein Produkt vor dem Stichtag in nennenswertem Umfang verzehrt wurde, da dazu aussagekräftige Lieferunterlagen, Rechnungen, Rezepte oder Kochbücher aus Zeiten vor dem 15. Mai 1997 ausgewertet werden müssen – einer Zeit vor mehr als 20 Jahren, in der das Internet noch nicht verbreitet war und selbst Computer noch nicht überall genutzt wurden.
Das Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt(LAV) hat in den letzten Jahren zum Bespiel einen Extrakt aus der Juckbohne Mucuna pruriens in einem Nahrungsergänzungsmittel als nicht zugelassenes neuartiges Lebensmittelzutat eingestuft. Die Samen dieser Pflanze enthalten psychoaktive und halluzinogene Inhaltsstoffe. In einem Sportlernahrungsmittel wurde der Stoff Agmatinsulfat als neuartig beurteilt. Auch in Kräutertees stellte das LAV mit Teilen des Indischen Tempelbaumes Crateva religiosa oder des Giftlattichs Lactuca virosa neuartige Zutaten fest.