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Anlage von Biobanken im Rahmen einer Arzneimittelstudie

Die Kommission beriet zum Thema der Anlage von Biobanken im Rahmen einer Arzneimittelstudie. Darunter ist zu verstehen jede Aufbewahrung oder Nutzung von Körpermaterialien (Blut- und Gewebeproben etc. sowie deren Weiterverarbeitungsprodukten) im Zusammenhang mit Patienten-/Probandendaten über die jeweilige Hauptstudie hinaus. Dabei wurde der hohe (potentielle) Nutzen von Biobanken in der medizinischen Forschung, etwa in der Suche nach Biomarkern, betont. Der Schaden bzw. das Risiko eines Schadens für die Patienten/Probanden durch die Probengewinnung ist in der Regel gering, da die Materialien ohnehin oder durch wenig Mehraufwand (etwa eine weitere Blutabnahme) anfallen. Gleichzeitig sind jedoch das Selbstbestimmungsrecht der Patienten/Probanden und der mögliche erhebliche Schaden der Patienten/Probanden durch den Missbrauch von personenbezogenen Daten in Rechnung zu stellen. In Abwägung dieser Gesichtspunkte wurde beschlossen:  

  1. Die Materialien dürfen generell nur für Zwecke medizinischer Forschung verwendet werden.
  2. Es gilt das Prinzip der Zweckbindung: Materialien dürfen nur für solche Zwecke verwendet werden, die in der (gesonderten!) Patienten-Probandeninformation und Einwilligungserklärung eindeutig und unmissverständlich benannt wurden. Sollen die Materialien für noch nicht absehbare Zwecke verwendet werden, ist dies ausdrücklich und an auffälliger Stelle zur Kenntnis zu geben. In jedem Fall muss es deutlich werden, inwiefern die Verwendung der Materialien über die Arzneimittelstudie („Hauptstudie“) hinausgeht und hier eine Biobank aufgebaut wird.
    Ein gutes Mittel, den Patienten/Probanden die Tragweite der Entscheidung deutlich zu machen, ist hier die Gewährung von Wahlmöglichkeiten in der Zweckbindung: (1.) für Forschung innerhalb der Studie, (2.) zur selben Indikation, (3.) zu einer erweiterten Indikation, (4.) für allgemeine medizinische Forschungszwecke.
  3. Die Patienten-/Probandendaten sind in höchstem Maße zu schützen. Das kann durch Anonymisierung der Proben und Gesundheitsdaten erfolgen. In diesem Fall können Patienten allerdings nicht mehr von den Untersuchungen an ihren Proben profitieren, etwa indem ihnen lebenswichtige Ergebnisse aus der Untersuchung ihrer Proben mitgeteilt werden. Auch können sie dann ihre Zustimmung zur Nutzung der Proben nicht mehr widerrufen. Im Falle der Anonymisierung sind die Patienten/Probanden darauf hinzuweisen.
    Im Falle einer Pseudonymisierung müssen die allgemeinen Standards beachtet werden (keine Initialen, Geburtsdatum etc.); weiterhin muss die Reidentifizierungstabelle von einem Datentreuhänder verwahrt werden. Die entsprechenden Regelungen sind dem Patienten/Probanden zur Kenntnis zu geben.
  4. Die Aufklärungspflichten in der Patienten-Probandeninformation und Einwilligungserklärung entsprechen den Pflichten beim Aufbau von Biobanken (siehe dazu etwa: C. Revermann/A. Sauter: Biobanken für die humanmedizinische Forschung und Anwendung, Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag, Arbeitsbericht 112, Dezember 2006, 144, der hier die einschlägige Stellungnahme des Nationalen Ethikrates zitiert). „Die Spender müssen vor ihrer Einwilligung über alle Umstände aufgeklärt werden, die für ihre Entscheidung über Einwilligung oder Ablehnung erkennbar relevant sein können. Auf diese Aufklärung sollte grundsätzlich nicht verzichtet werden können. Zu den relevanten Umständen zählen insbesondere: Freiwilligkeit der Teilnahme, Zwecke, Art, Umfang und Dauer der vorgesehenen Nutzung einschließlich vorgesehener genetischer Analysen, Umfang und Bedingungen einer möglichen Weitergabe von Proben und Daten, insbesondere auch bei einer möglichen Weitergabe ins Ausland, die Möglichkeit bzw. der Ausschluss einer Rückmeldung von Forschungsergebnissen an den Spender, Hinweise auf mögliche Konsequenzen der Mitteilung von Befunden genetischer Analysen für den Spender und verwandte Angehörige einschließlich möglicher Offenbarungspflichten (z.B. gegenüber Versicherungen), Art der Speicherung und Zusammenführung der Daten, Anonymisierung oder Pseudonymisierung von Proben und Daten, sonstige flankierende Maßnahmen des Spenderschutzes, etwaige staatliche Zugriffsmöglichkeiten auf Proben und Daten, das Recht des Spenders auf jederzeitigen Widerruf seiner Einwilligung ohne Sanktionen, das Schicksal von Proben und Daten beim Widerruf und bei Beendigung der Biobank, etwaige kommerzielle Perspektiven der vorgesehenen Forschung (einschließlich der Möglichkeit, Patente auf die Resultate zu beantragen) und Fragen der Aufwandsentschädigung, Bezahlung oder Gewinnbeteiligung des Spenders.“Gleichzeitig ist die Patienten-/Probandeninformation möglichst einfach zu halten; dem Aufklärungserfordernis kann auch durch eine zu komplexe oder schlecht formulierte und redundante Information zuwidergehandelt werden.
  5. Insbesondere müssen Regelungen zur möglichen Weitergabe bzw. Vernichtung der Materialien und Daten genau spezifiziert und den Patienten/Probanden mitgeteilt werden. Das gilt auch für Regelungen bei Insolvenz oder Veräußerung des Trägers der Biobank.